Der 08. März ist seit über hundert Jahren Internationaler Frauentag und steht im Zeichen des Feminismus und des Kampfs für Gleichberechtigung und der Frauenrechte. Welches Bild habt ihr von Feministinnen? Warum ist das Gendern eigentlich gar nicht so wichtig und warum ist Feminismus auch Männersache? Wir haben uns mit der jungen Grazer Gemeinderätin und Feministin Anna Robosch zum Interview getroffen.
Cool: Warum ist Feminismus wichtig?
Anna Robosch: Weil es immer noch viele Dinge gibt, die schon lange gefordert werden und die wir noch immer nicht haben. Nach fast 200 Jahren Frauenbewegung ist es aktuell so, dass die Gewalt an Frauen wieder zunimmt und das ist einfach scheiße. Wenn Frauen in Rosarot und mit Glitzerklamotten herumlaufen wollen, dann darf es nicht sein, dass sie nur deshalb als schwach gelten oder nicht ernstgenommen werden. Eine Frau darf weiblich bleiben und kann trotzdem alle Attribute von Stärke und Führungskraft haben. Die neue Generation und dritte Welle des Feminismus will, dass Frauen selbstbestimmt und aus Überzeugung alles machen können, was sie wollen.
Cool: Dritte Welle? Kannst du uns das erklären?
Anna: Es gab drei große Frauenbewegungen. Die erste Welle kämpfte für das Frauenwahlrecht, die zweite für die körperliche Selbstbestimmung, also sexuelle Revolution und Abtreibung, und in der dritten geht es jetzt vor allem um politische Repräsentanz und gesellschaftliche Gleichstellung. Im Laufe dieser Wellen hat sich auch innerhalb der feministischen Szene viel geändert. Die Kopftuch-Debatte ist ein gutes Beispiel oder auch Pornos. Früher galt das ausnahmslos als Unterdrückung und Gewalt an Frauen. Ich, als jüngere Feministin, unterstütze hingegen jede Frau dabei, selbstbestimmt Entscheidungen für ihr Leben zu treffen, auch wenn ich sie so nicht für mich selbst treffen würde.
Cool: Seit wann interessierst und engagierst du dich für Frauenrechte?
Anna: Eigentlich immer schon, aber aktiv so circa seit meinem 15. Lebensjahr. Ich war Schulsprecher-Stellvertreterin und bin dann auch in die Schülervertretungsorganisation AKS gekommen und da war das ein großes Thema. Es hat mich schon immer beschäftigt und auch geärgert, dass ich, nur weil ich eine Vagina habe, nicht gleichbehandelt wurde, wie die Burschen. Das hat mich in meiner Schulzeit oft wütend und traurig gemacht und hat mich schlussendlich auch genau dazu motiviert, in die Politik zu gehen. Ich hatte einfach das Gefühl, es wird zu wenig getan und wenn ich jemanden darauf angesprochen habe, meinte jeder nur: Ach bitte, komm mir nicht mit dem Feminismus.
Cool: Ich verstehe deine Motivation, aber auch die anderen, denn irgendwie hat Feminismus einen negativen Beigeschmack…
Anna: Witzig, dass du das sagst, weil es ist total schräg: In der Popkultur ist Feminismus eigentlich ziemlich angesagt, es gibt überall T-Shirts mit feministischen Sprüchen zu kaufen und selbst Beyoncé performt auf der Bühne vor einem riesigen „Feminist“-Schriftzug, aber wenn man bei uns sagt, dass man eine Feministin ist oder generell, wenn Menschen an Feministinnen denken, dann ist es meistens negativ behaftet. Im gesellschaftlichen Bild sind es immer hysterische, nervige Furien, die alles verändern wollen und auf dem Binnen-I herumreiten.
Cool: Du wirkst jetzt eigentlich ziemlich entspannt (lacht)…
Anna: Ich glaube, dass viele Menschen immer nur den aktivistischen Feminismus mitbekommen, also wenn wir uns beispielsweise als Männer verkleiden und auf der Straße für die Frauenquote demonstrieren. Aber nur die wenigsten wissen, wofür wir uns tagtäglich einsetzen. Natürlich ist Aktivismus nervig, aber wir sind heute nicht da, weil die Feministinnen vor uns leise waren und die Dohnal (Anmerk.: Johanna Dohnal, von 1990 bis 1995 erste Frauenministerin Österreichs) brav und unkritisch, sondern weil sie lästig war. Die ehemalige österreichische Staatssekretärin Muna Duzdar hat einmal gesagt: „Frauen sind nicht in die Politik gegangen, um gemocht zu werden, sondern um die Welt zu verändern.“ Das ist so ziemlich auch das Erste, das man lernt, wenn man Feministin ist.
Es geht beim Feminismus schon auch um Frauenquoten, weil sie leider notwendig sind, aber vor allem geht es darum, dass alte Rollenklischees aufgebrochen werden.
Cool: Wofür setzt ihr euch tagtäglich ein? Ich habe den Eindruck, dass bei Feminismus viele bloß ans Gendern und die neue Hymne denken…
Anna: Ich würde mir wünschen, dass wir uns mal über wirklich wichtige Frauenthemen unterhalten. In der Gesellschaft beziehungsweise auch in den Medien hackt man gerne auf den Kleinigkeiten herum, um von den wirklich wichtigen Sachen abzulenken. Ja, der Durchbruch bei der Hymne war uns wichtig, aber ich würde dich jetzt beispielsweise nie zum Gendern zwingen. Wenn es keine anderen Probleme gäbe, als die g‘schissenen zwei Wörter in unserer Bundeshymne, dann ginge es uns eh gut. Dass wir immer noch rund 20 Prozent weniger verdienen und 50 Prozent weniger Pension bekommen, dass Mädels schon im Kindergarten als Schwächere dargestellt werden und in Clubs am laufenden Band jungen Frauen auf den Arsch gegriffen wird – darüber sollten wir reden. Gendern recht und schön, aber darauf würde ich sofort verzichten, wenn Frauen dafür fair verdienen würden, keine Angst mehr vor Belästigungen und Übergriffen haben müssten und die Statistik nicht zeigen würde, dass jede fünfte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von sexueller Gewalt wird.
Cool: Was sich in all den Jahr auch nicht geändert hat, ist: „Sex sells“. Wie stehst du dazu?
Anna: Ich habe absolut nichts dagegen, wenn mir auf einem Werbeplakat Frauen in Unterwäsche genau das, nämlich Unterwäsche, verkaufen wollen, aber ich bin kein Fan davon, wenn man Laptops oder Bier mit halbnackten Frauenkörpern bewirbt. Das sind gesellschaftliche Zustände, die nicht sein müssten. Wenn ein Popstar wie Billie Eilish Oversize-Klamotten trägt, weil sie nicht sexualisiert werden will, dann sagt das schon viel aus. Wir müssten alle miteinander – auch die Frauen selbst, denn die sind untereinander auch schlimm – damit aufhören, Frauen für ihr Äußeres zu kritisieren oder sie zu sexualisieren. Über keinen Mann würde ein anderer Typ sagen: Na, wie der heute wieder ausschaut. Wenn ich mal ungeschminkt aus dem Haus gehe und dann dauernd gefragt werde, ob’s mir gut geht, komme ich mir blöd vor. Und wenn ich mal was Kürzeres anhabe und jeder glotzt mich an, ebenso. Chillt doch einfach!
Cool: Was sollen wir von diesem Interview in Erinnerung behalten?
Anna: Es geht beim Feminismus schon auch um Frauenquoten, weil sie leider notwendig sind, aber vor allem geht es darum, dass alte Rollenklischees aufgebrochen werden. Ein Mann muss nicht immer stark sein und eine Frau zierlich und schwach. Es gibt neben männlich und weiblich noch so viel mehr als diese „deppate“ rosa-blau-Geschichte. Es geht um Gleichberechtigung für alle, unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft und Religion, und um ein freies Leben. Schon Johanna Dohnal hat einst gesagt: „Die Vision des Feminismus ist nicht eine weibliche Zukunft. Es ist eine menschliche Zukunft.“

Das ist „Tabulos“
Ich hatte das Thema Feminismus schon vor einigen Ausgaben in meiner „Fragwürdig“-Kolumne behandelt und dachte mir, dass der Weltfrauentag der perfekte Anlass ist, um all meinen Fragen und Vorurteilen gegenüber dem Feminismus auf den Grund zu gehen. Anna Robosch kannte ich bereits flüchtig über ein anderes Magazin, das wir produzieren, also haben wir uns zu einem 2,5-stündigen Gespräch getroffen, dessen Highlights es nun auf diese Doppelseite geschafft haben. „Gleichberechtigung für alle“ ist genau meine Einstellung und das nicht nur, weil mich Anna auf die Getränke beim Interview eingeladen hat – danke dafür nochmal –, sondern weil wir alle Menschen sind und Rollenklischees in der heutigen Zeit keinen Platz mehr haben sollten. (Daniel Gräbner)