Als Englisch- und Turn-Lehrerin fing Linda Baier an, ihren Schülern den richtigen Umgang mit TikTok zu zeigen. Zwei Jahre später ist sie als Linda Lime mit 1,5 Millionen Followern erfolgreiche Influencerin und veröffentlichte mit „Die TikTok Schule“ kürzlich ihr erstes Buch. Wir haben uns kein Blatt vor den Mund genommen und bei der 28-Jährigen tabulos nachgefragt.
Cool: Wie hast du mit TikTok angefangen und wie kam es dazu, dass du als Lehrerin schließlich sogar deinen Job gekündigt hast, um Influencerin zu werden?
Linda Lime: Also zu TikTok bin ich eigentlich über meine Schwester gekommen. Mir hat es schon immer Spaß gemacht, mich kreativ und visuell auszuleben – zunächst noch mit Fotos auf Instagram – aber als mir meine Schwester dann TikTok gezeigt hat, hat mich sofort das Fieber gepackt. 2020 hatte ich dann während Corona viel Zeit, um mir Videos zu überlegen, zu drehen und zu posten, und plötzlich bekam ich immer mehr Follower und manche Videos gingen sogar viral. Im Dezember hatte ich dann bereits die 1 Million Follower erreicht. Das war für mich dann ein Punkt, an dem ich zu überlegen begonnen habe. TikTok hat immer mehr Zeit beansprucht und es war mir kaum noch möglich, das mit meinem Job alles unter einen Hut zu bringen. Schweren Herzens habe ich deshalb beschlossen, als Lehrerin zu kündigen und es als Influencerin zu versuchen.
Cool: Man könnte jetzt natürlich darüber diskutieren, ob du damit ein falsches Vorbild abgibst: Es träumen ohnehin schon viele Kinder vom Influencer-Job und dann bist da du als Lehrerin, die auch lieber ihren Job kündigt, um auf TikTok erfolgreich zu sein.
Linda: Ich sehe das nicht so. In meinem Buch schreibe ich beispielsweise ganz klar, dass es wichtig ist, sich ein zweites Standbein zu schaffen. Ja, ich habe als Lehrerin gekündigt, aber ich habe eine abgeschlossene Berufsausbildung und könnte auch jederzeit in meinen Beruf zurückkehren. Aber man darf auch nicht immer nur darauf schauen, was früher war, den Erfolg von Influencern schlecht reden und Jugendlichen TikTok womöglich sogar verbieten. Es gibt kein Leben mehr ohne TikTok. Das ist ähnlich wie mit Corona, die Leute müssen lernen, damit zu leben. Jede Firma hat mittlerweile eigene Social-Media-Kanäle. Wenn sich Jugendliche für TikTok begeistern, dann heißt das ja längst nicht mehr, dass sie Influencer werden müssen oder sie ihre Zeit nur vergeuden. Soziale Medien sind inzwischen ein echtes Berufsfeld, vom PR-Manger bis hin zum Content Creator. Und auch in meinem Fall steckt viel mehr Arbeit dahinter, als man auf meinem Kanal sieht.
Cool: Im Buch schreibst du, die Kündigung war die beste Entscheidung deines Lebens. Warum?
Linda: Weil ich nun das machen kann, was mir wirklich Spaß macht. Der Beruf als Lehrerin ist schön und mir ist die Entscheidung auch nicht leicht gefallen. Das frühe Aufstehen vermisse ich nicht (lacht). Aber ich bin jetzt frei, kann mir alles selbst einteilen und in meinem eigenen Rhythmus arbeiten. Diese Freiheit und die Möglichkeit, bei meiner Arbeit kreativ zu sein, macht mir einfach Spaß.
Aber es gab halt auch Stimmen, dass man als Lehrerin in der Öffentlichkeit so etwas nicht machen sollte.
Cool: Blick zurück, als du noch Lehrerin warst: Wie haben deine Schüler, Kollegen und die Direktion auf deine TikTok-Karriere reagiert?
Linda: Alle recht unterschiedlich. Meine Schülerinnen und Schüler waren eigentlich total begeistert. „Wow, Frau Lehrerin, wie haben Sie das gemacht?“ Also wenn kritische Stimmen behaupten, dass man als Lehrerin kein TikTok machen darf, weil die Schüler dann den Respekt vor einem verlieren: Als ich nach den Lockdowns wieder in der Schule war und vor allem nachdem ich die 1 Millionen Follower erreicht hatte, hatten meine Schülerinnen und Schüler eher noch mehr Respekt vor mir. Meine Kollegen haben davon zunächst gar nichts gewusst, weil sie ja nicht auf TikTok sind, genau wie meine Direktorin. Das Erreichen der 1 Millionen Follower haben sie dann aber schon mitbekommen. Sie haben aber sehr fair reagiert, denn warum sollte eine junge Lehrerin in ihrer Freizeit kein TikTok machen dürfen? Ich habe dann in der Schule nachmittags auf freiwilliger Basis sogar TikTokund Video-Workshops angeboten, die super angekommen sind.
Cool: Du hast in deinem Buch aber angedeutet, dass es von einigen Eltern auch Kritik gab. Was war das Ärgste, das du zu hören bekommen hast?
Linda: Ich habe immer sehr darauf geachtet, welchen Content ich poste und auch was ich in meinen Videos anziehe – mein optisches Erscheinungsbild ist mir generell wichtig. Aber es gab halt auch Stimmen, dass man als Lehrerin in der Öffentlichkeit so etwas nicht machen sollte. Mir ist zum Beispiel einmal zu Ohren gekommen, dass ich freizügig im Internet tanzen würde. Dabei habe ich in dem angesprochenen Video erstens nicht getanzt und zweitens ein Crop Top getragen – also wirklich überhaupt nicht schlimm.
Cool: Dein Buch heißt „Die TikTok-Schule“. Denkst du als ehemalige Lehrerin, dass TikTok grundsätzlich zum Schulunterricht gehören sollte?
Linda: Mit dem neuen Fach „Digitale Grundbildung“ wären solche Inhalte eigentlich sogar im Lehrplan verankert, aber es gibt halt auch Lehrerinnen und Lehrer, die der Meinung sind, dass TikTok und Instagram in der Schule nichts verloren haben. Ich finde, der Unterricht sollte da einfach breitgefächerter sein.
Cool: Du schreibst in deinem Buch „Sei du selbst“, aber auch „TikTok gibt dir die Möglichkeit, dich neu zu erfinden. Du kannst dir überlegen, wie andere dich sehen sollen“. Ist das nicht ein Widerspruch?
Linda: Für mich ist die oberste Regel, sich unbedingt auch auf TikTok treu zu bleiben und zu seinen Werten zu stehen. Das schließt aber nicht aus, sich auch zu präsentieren. TikTok ist vor allem Entertainment. Bestes Beispiel: In meinen Videos spreche ich etwas schneller und aufgedrehter, weil meine TikToks vermutlich nicht ankommen würden, wenn ich einschläfernd und gelangweilt reden würde. Linda Lime ist meine TikTok-Persönlichkeit, sie hat aber dieselben Grundwerte wie ich und ist keine Kunstfigur, für die ich mich komplett verstelle.
Cool: Was gibt es in deiner TikTok-Schule alles zu lernen?
Linda: Es gibt natürlich Tipps wie man Follower gewinnt, aber es gibt in meinem Buch auch Kapitel darüber, wie man mit Hate umgeht, wie man am besten mit seinen Eltern über TikTok spricht oder wie man seine eigenen Träume und Ziele visualisiert. Auch Detox ist ganz wichtig, also das Handy auch mal bewusst wegzulegen. Ich arbeite außerdem schon an einer eigenen TikTok-Page @dietiktokschule, auf der es die Inhalte des Buchs in Videoform geben wird. Mein Ziel ist es, dass dort dann auch eine richtige Community entsteht, wo sich Jugendliche zum Thema TikTok austauschen und wir uns alle gegenseitig helfen können. Ich heiße jeden herzlich willkommen in der TikTok Schule.

Das ist „Tabulos“
Könnt ihr euch überhaupt noch an „Tabulos“erinnern? Bis vor drei Jahren haben wir in dieser Rubrik regelmäßig etwas ernstere Interviews gemacht, bei denen wir eben auch mal tabulos nachgefragt haben. Hier gibt‘s übrigens alle zum Nachlesen. Als ich nun das Interview mit Linda angeboten bekam, war für mich klar: Eine Lehrerin, die für eine Social-Media-Karriere ihren Job kündigt – dazu möchte ich kein oberflächliches PR-Interview zur Bewerbung ihres Buches machen. Ist Linda ein schlechtes Vorbild, denke ich zu konservativ, darf eine Lehrerin TikTok machen, was haben ihre Schüler gesagt? Via Zoom hat Linda all meine Fragen beantwortet. Viel Spaß beim Lesen! (Daniel Gräbner)