Ist es nur Spaß beim Fortgehen oder womöglich doch mehr? Warum küssen sich Jungs eigentlich kaum? In unserer Redaktion wurde darüber heiß diskutiert…
Daniela: Habt ihr alle mit euren Mädls geschmust? Bei uns war das eigentlich fast sowas wie ein fixer Punkt beim Fortgehen (grinst). Zwischen 15 und 16 haben wir untereinander immer zum Spaß rumgemacht, vor allem um die Jungs ein bisserl zu provozieren. Die sind dann immer ausgerastet, wenn sie zwei knutschende Mädls gesehen haben.
Kathi: Bei uns war das eher selten direkt beim Fortgehen. Wir hatten beim Vorglühen so ein Spiel „Eiswürfel weitergeben“. Eigentlich super widerlich und nass und kalt, aber das war der erste „Kuss“, den ich jemals mit einer Frau hatte. Aber ich kann guten Gewissens sagen, dass damals – rein auf die Kusstechnik bezogen – absolut jeder Kuss mit einer Frau besser war als die mit den Jungs (lacht).
Victoria: Lustig, ich habe das ganz anders erlebt. Meine Freundinnen und ich haben nie miteinander rumgeschmust oder uns geküsst. Ich hab andere Wege gefunden, meine Sexualität auszuprobieren (zwinkert).
Daniela: Wir haben total oft „Wir tun es, ihr tut es“ mit den Jungs gespielt. Wir haben Stück für Stück mehr Gas gegeben und wenn sie wollten, dass wir weiterschmusen, mussten die Burschen es auch tun. Rückblickend total provokant, aber uns hat‘s Spaß gemacht, die Jungs zu reizen, zu ärgern und ihren Ekel zu sehn, dass sie es total grausig fanden, sich zu küssen (lacht).
Lisa: Ich find‘s so spannend, dass das unter Mädels eigentlich fast schon zum guten Ton gehört, während es bei Jungs nach wie vor ein No-Go ist.
Kathi: Ich glaube, das kommt davon, weil in Mainstream-Pornos und in den ganzen Popkulturfilmen wie „American Pie“ lesbische Paare sexualisiert werden, um Männer anzumachen. Dennoch denke ich, dass sich das mit dem Alter ein bisschen ändert. Zumindest in meinem Freundeskreis hätte kein Mann ein Problem damit, mit einem Freund von ihm zu schmusen.
Daniela: Also meine männlichen Freunde würden das, glaube ich, immer noch nicht tun…
Lisa: Ja, irgendwie war und ist das halt noch sehr verpönt. Wie Kathi schon sagte, es gilt halt als „heiß“, wenn sich zwei Frauen küssen. Aber man hat ganz selten in Filmen gesehen, dass es andere hot finden, wenn sich Männer küssen. Ich glaube, dass Männer nach wie vor so unter dem Stigma „schwul“ leiden, dass sie sich gar nicht trauen, herumzuexperimentieren. Was ich total schade finde, weil solche Erfahrungen einem auch zeigen können, auf wen man eigentlich steht. So blöd es klingt, aber da hat die Übersexualisierung von Frauen endlich mal einen Vorteil für uns gebracht. Das war’s aber auch schon wieder an Vorteilen (lacht).
Daniela: Männer werden irgendwie wirklich gleich als schwul abgetan. Aber ich muss ganz ehrlich sein: Wenn ich damals zwei Jungs beim Küssen gesehen hätte, wäre ich auch niemals auf die Idee gekommen, dass die das ebenso just for fun machen wie wir. Apropos: Hattet ihr damals in irgendeiner Art mal den Gedanken, ob ihr bi- oder homosexuell sein könntet, wenn ihr eure Girls geküsst habt?
Victoria: Ich hatte da einen anderen Zugang. Wie gesagt, unter meinen Besties ist nie was gelaufen. Aber ich hab durch einen gemeinsamen Freund mal ein Mädl kennengelernt, mit dem ich mich dann ausprobiert habe. Von bicurious zu bisexuell.
Daniela: Bicurious klingt gut. Das heißt du hattest sozusagen eine kleine Affäre mit einem Mädchen?
Victoria: Nur zur Info: Bicurious ist, wenn jemand seine Sexualität ausprobieren will und sich mit verschiedenen Geschlechtern ausprobiert. Klar kann man sich auch als bisexuell identifizieren, ohne Erfahrungen gemacht zu haben. Bei „bicurious“ geht‘s zunächst aber tatsächlich eher ums Schmusen, Fummeln und Flirten.
Victoria: Also… es war auch ihr erstes Mal mit einer Frau. Wir haben uns zu einem Museumsbesuch getroffen. Dort sind die Funken ordentlich gesprüht und beim nächsten Treffen waren wir bei ihr zu Hause. Beide total schüchtern und nervös. Sie hat dann eine Playlist reingetan mit Disney-Musik, sich zu mir gelehnt und mich geküsst. Kleine Affäre ist gut, wir hatten bzw. haben über mehrere Jahre immer wieder etwas miteinander. Einmal treffen wir uns häufiger, dann hab ich einen Freund und es läuft weniger.
Lisa: Würdest du behaupten, dass du durch das Herumexperimentieren erst gecheckt hast, worauf du stehst oder war dir das vorher schon klar?
Victoria: Ich bin konservativ aufgewachsen: Es gibt zwei Geschlechter. Wenn man nicht hetero ist, dann eben homosexuell. Ich war total perplex, als ich das erste Mal was von Bisexualität gehört hab. Ich dachte, man kann nur auf Männer oder Frauen stehen. Dass beides geht, hat mir eine ganz neue Welt eröffnet. Ich war früher nervös, mich für eines entscheiden zu müssen – so ein Blödsinn!
Lisa: Kenn ich nur zu gut! Ich hatte auch im Laufe der letzten Jahre immer wieder mal was mit Frauen und habe es immer als „Herumblödelei“ abgetan, bis ich mir erst mit Mitte zwanzig eingestanden habe, dass ich eben nicht nur auf Männer stehe.
Daniela: Für mich stand immer schon fest, dass es für mich nur Jungs gibt. Das ganze Herumgeknutsche mit meinen Freundinnen hat bei keiner von uns je zu der Annahme geführt, dass wir bi sein könnten. Wir haben oft darüber geredet, aber wir waren uns alle immer sehr sicher, dass wir auf Jungs stehen.
Kathi: Das ist ja auch voll in Ordnung! Ich kann mir zum Beispiel gut vorstellen, mit einer Frau zusammen zu sein, obwohl ich noch nie in einer Beziehung mit einer Frau war. Ich finde, der Charakter und die gegenseitige Anziehung sind am wichtigsten, da ist es mir ziemlich egal, ob Mann oder Frau. Es spricht für mich nichts dagegen, wenn die Feelings stimmen.
Lisa: Also zwingen sollte man sich natürlich zu nichts, aber wenn Neugierde da ist, einfach mal probieren! Man wird nicht direkt homosexuell oder bi, nur weil man einmal herumknutscht. Man ist eine Erfahrung reicher und im Idealfall findet man auch noch zusätzliche Vorlieben raus (grinst).